Verzinsliche Anlage

11.01.2022 Geschäftsstelle ÜAG NRW

Die Landesjustizverwaltung Bremen hat darauf hingewiesen, dass in der gerichtlichen Praxis zunehmend Probleme im Hinblick auf die Verpflichtung zur verzinslichen Anlage nach §§ 1806, 1807 BGB und zur andersartigen Anlage nach § 1811 BGB auftreten.

Die von der Landesjustizverwaltung Bremen geschilderten Probleme im Zusammenhang mit der verzinslichen Anlage von Mündelgeld nach den §§ 1806, 1807 bzw. 1811 jeweils i.V.m. 1908i BGB treten auch in der betreuungsgerichtlichen Praxis in NRW immer öfter auf.

Hinsichtlich der von der Landesjustizverwaltung Bremen beabsichtigten Veranlassung eines gesetzgeberischen Tätigwerdens ist im Hinblick auf das zum 1.1.2023 in Kraft tretende Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts bezüglich Betreuungen und bzgl. Nachlasspflegschaften (wegen § 1888 I BGB-Neu)  auf die §§ 1838 ff BGB-Neu abzustellen.

Bezüglich der Vormundschaften gelten nach § 1798 II 1 BGB-Neu die §§ 1839 bis 1847 BGB-Neu entsprechend.

§ 1848 BGB-Neu (Nachfolgevorschrift bzgl. des aktuellen § 1811 BGB – andersartige Anlage) wird zwar nicht ausdrücklich als entsprechend geltend genannt, sollte aber im Hinblick auf Blatt 1799 I BGB-Neu auch im Bereich der Vormundschaften anwendbar sein.

Zur Problematik: verzinsliche Anlage nach §§ 1806, 1807 i.V.m. § 1908i BGB

Nach dem neuen Recht ist nicht mehr ausdrücklich die verzinsliche Anlage wie in § 1806 BGB vorgeschrieben vorgesehen, sondern nur noch auf einem zur verzinslichen Anlage geeigneten Konto d.h., dass nach hiesiger Auffassung keine rechtlichen Probleme mehr bestehen, wenn Gelder auf (zu den gegebenen Zeiten) unverzinslichen Giro-/Tagesgeld- und/oder Sparkonten angelegt sind, wenn diese grundsätzlich zur verzinslichen Anlage geeignet sind (entsprechend der Gründe des Gesetzgebers „…nach Möglichkeit verzinst…“).

Die neue Vorschrift trägt nunmehr den bei Gesetzgebung nicht absehbaren Änderungen der wirtschaftlichen Gesamtlage Rechnung.

Es würde nun den rechtlichen Vorgaben entsprechen, wenn das Geld auf einem Konto, das aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage ohne Zinsen oder sogar mit einer Negativverzinsung angelegt ist, wenn dieses Konto nur grundsätzlich zu einer verzinslichen Anlage geeignet ist.

Die Begründung dieser Auffassung ergibt sich aus den Gründen des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (Bt-Drucksache 19/24445, Seite 374, zu § 1839 II

… Auch wenn heute infolge der Niedrigzinsphase kaum ein Zinsertrag erwirtschaftet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich dies in Zukunft wieder ändert und die Anlage von Verfügungsgeld auf einem solchen Konto wieder eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Bereithaltung von Verfügungsgeld auf dem Girokonto bieten kann. …

und Seite 375, zu § 1841 I

… Zweck der Anlegung ist, mit der Anlage das Vermögen für den Betreuten zu erhalten und nach Möglichkeit einen Vermögensertrag zu erwirtschaften.

Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Entwurf und die Begründung weit über ein Jahr alt sind und die Zinsentwicklung weiter „nach unten“, inzwischen sogar bis in den Minusbereich (Negativzinsen), fortgeschritten ist.

Die Begründung zu § 1839 II müsste angepasst an die erfolgte wirtschaftlichen Entwicklung aktuell zwangsläufig

… Auch wenn heute infolge der Niedrigzinsphase kaum ein kein Zinsertrag erwirtschaftet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich dies in Zukunft wieder ändert und die Anlage von Verfügungsgeld auf einem solchen Konto wieder eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zur Bereithaltung von Verfügungsgeld auf dem Girokonto bieten kann. … 

 lauten.

Zur Problematik: Andersartige Anlage nach § 1811 BGB

§ 1848 BGB-Neu ist die Nachfolgevorschrift bzgl. des aktuell geltenden § 1811 BGB.

Dem Bremer Vorschlag, „einen inneren Katalog an andersartigen Geldanlagen“ zu erarbeiten, ist, wenn er nicht nur als „Insellösung für Bremen“ gedacht ist, aus vielen Gründen, von denen nachfolgend nur einige genannt werden, nicht zu folgen.

Abweichend von § 1811 BGB ist § 1848 BGB-Neu keine Soll-, sondern eine Mussvorschrift, d.h., dass eine betreuungsgerichtliche Genehmigung zur Rechtswirksamkeit der Anlage zwingend erforderlich ist.

Wer sollte einen solchen Katalog mit bundesweiter Geltung erstellen und insbesondere „pflegen“?

Kreditinstitute/Banken dürften als „Verkäufer“ der Anlageprodukte nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden.

Täglich werden neue Anlageprodukte von verschiedensten Anbietern (Banken, Kreditinstituten, Versicherungen etc.) „kreiert“ und angeboten.

Die Prospekte zu vielen Papieren lesen sich wie Beipackzettel zu Medikamenten, d.h., sie sind für nicht ständig mit dieser Materie befassten Menschen sehr schwer bis kaum zu verstehen.

Sämtliche Angebote wären zu sichten und zu prüfen und ein „Katalog“ wäre ständig anzupassen.

Es müssten nachvollziehbare und rechtssichere Auswahl-/Bewertungskriterien zur Vermeidung von Problemen mit nicht in den Katalog aufgenommenen Anbietern erstellt werden.

Die Aufnahme in den Katalog würde sicherlich den falschen Eindruck erwecken, als müssten die Gerichte die im Katalog enthaltenen Anlagen zwangsläufig genehmigen.

Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass aktuell inzwischen bei der Vielzahl der neuen Anlageprodukte nicht wenige der in Betreuungsangelegenheiten tätigen Betreuerinnen/Betreuern/Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern bei der Beurteilung der Frage, ob einzelne andersartigen Anlagen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen, an ihre Grenzen stoßen, weil sie zwar gelegentlich, aber eben auch nicht ständig mit dieser Materie befasst sind.

Künftige Problematik: Andersartige Anlage nach § 1848 BGB

Abweichend von § 1811 BGB ist § 1848 BGB-Neu keine Soll-, sondern eine Mussvorschrift, d.h., dass eine die Rechtskraft erfordernde betreuungsgerichtliche Genehmigung zur Rechtswirksamkeit der Anlage zwingend erforderlich wird.

Die Gesetzesbegründung (Seite 384, vorletzter Absatz) nimmt leider die rechtlichen Folgen in Kauf, wobei der Eindruck entsteht, dass nicht alle Folgen in die Überlegung einbezogen wurden.

Es heißt dort 

  …Durch das Rechtkrafterfordernis der Genehmigung (§ 40 FamFG) sind insbesondere Geschäfte am Finanzmarkt nicht in der wünschenswerten Schnelligkeit durchführbar. Dies soll jedoch in Kauf genommen werden…

Es wird jedoch verkannt/nicht erwähnt, dass teilweise Geschäfte am Finanzmarkt nicht nur nicht mehr mit der wünschenswerten Schnelligkeit durchgeführt werden können, sondern vollständig unmöglich werden.

Es geht im Regelfall bei den in Betracht zu ziehenden Anlagen nicht um kurzfristige Kursgewinne, die in aller Regel bei spekulativen Anlagen am Aktien- bzw. Derivatemarkt, anfallen.

Diese spekulativen und damit riskanten Anlagen (es winken nicht nur Kursgewinne, sondern es drohen auch Kursverluste) spielen in der Praxis keine oder höchstens nur ein sehr geringe Rolle!

Auch nach geltendem Recht ist bei diesen Anlagen eine Gestattung im Sinne einer sogenannten Innengenehmigung erforderlich.

Wenn eine solche Innengenehmigung nicht erteilt wird, kann dies zu Schadensersatzansprüchen gegen Betreuer führen, die sich solch einer Gefahr nicht ohne Not aussetzen.

In der Praxis ermöglicht § 1811 BGB allerdings nun die im Interesse der Betreuten liegende Möglichkeit, dass kurzfristig das Gericht zu einer beabsichtigten Anlage kontaktiert wird und  dieses eine kurzfristige Prüfmöglichkeit hat, ob die Anlage einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderläuft.

Das Fehlen der Genehmigung führt nicht zur Unwirksamkeit der Anlage und führt so zu einer im Interesse der Betroffenen liegenden flexiblen und den wirtschaftlichen Verfahrensabläufen am Finanzmarkt gerecht werdenden Handlungsmöglichkeit.

Lukrativere (im Vergleich zum Sparbuch), aber dennoch konservative Anlagen können im Sinne der Betreuten getätigt werden.

Bei den wie bisher im Regelfall des § 1811 BGB und auch künftig in Betracht kommenden Anlagen handelt es sich um als inzwischen ziemlich sicher geltende Anlagen, die in der heutigen Wirtschaftswelt auch schon durchaus als konservativ bezeichnet werden können.

Diese Wertpapiere, z.B. von Landesbanken emittierte Anleihen/Papiere werden „gezeichnet“ und die Zeichnungsfrist ist bei erforderlichen vorherigen Genehmigungen mit Rechtskrafterfordernis in aller Regel nicht mehr einhaltbar mit der Folge, dass Betreute im Rahmen der Teilnahme am Finanzmarkt eine eigentlich nicht gerechtfertigte Einschränkung/Benachteiligung hinnehmen müssen.

Diese Kritik wurde bereits in einer Stellungnahme der ÜAG NRW zum Diskussionsentwurf an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz thematisiert.